Akinda- Einzelvormundschaften für geflüchtete Kinder

250.000 € für Hilfen für geflüchtete unbegleitete Kinder


Mit insgesamt 250.000 € werden ehrenamtliche Vormundschaften für 75 geflüchtete unbegleitete Jugendliche vermittelt, therapeutische Angebote für 125 geflüchtete Kinder und Jugendliche bereitgestellt sowie Informationsveranstaltungen für 150 unbegleitete geflüchtete Kinder und Jugendliche angeboten.

Annegret Huber* hat ehrenamtlich die Vormundschaft für den 17-jährigen Amir* aus Afghanistan übernommen. Ihr Mündel hat sie über das Berliner Netzwerk Akinda kennengelernt, das Einzelvormundschaften für unbegleitete minderjährige Geflüchtete vermittelt.

Als Vormundin ist die 47-jährige Lehrerin gesetzliche Vertreterin für Amir. Sie setzt sich dafür ein, dass er eine angemessene Unterkunft hat, zur Schule geht und kümmert sich, wenn er medizinische Versorgung benötigt. Sie vertritt ihn in rechtlichen und behördlichen Fragen. Alle Vormunde und Vormundinnen werden von Akinda in Schulungen auf ihr Ehrenamt vorbereitet und während der Vormundschaft begleitet. Sie können sich bei allen aufkommenden Fragen an die Projektkoordination und die pädagogischen Fachkräfte wenden. Sie haben die Möglichkeit, sich mit anderen ehrenamtlichen Vormundinnen und Vormunden zu vernetzen und Schulungen zu Themen wie „Ausbildung“ oder „Nähe und Distanz“ in der Vormundschaft besuchen.

*Die Namen wurden von der Redaktion geändert, um die Anonymität von Vormundin und Mündel zu waren.

Annegret Huber berichtet

Als ich in den Nachrichten von den vielen geflüchteten Menschen las und auch davon, wie viele Kinder und Jugendliche hier ohne ihre Eltern ankommen, fühlte ich mich hin- und hergerissen zwischen Mitgefühl für diese schrecklichen Einzelschicksale, aber auch der Sorge, wie diese Menschen mit all ihren unvorstellbaren Erfahrungen von Gewalt und Flucht hier in unserer Gesellschaft ankommen können.

Wie mag es einem Menschen gehen, der all seine Hoffnung in das Leben in unserem Land setzt, alles verliert, riskiert und dann hier in unserer so ganz anderen Gesellschaft und den Mühlen der Bürokratie aufschlägt, niemanden hat, der ihm nahesteht und zu dem er Vertrauen haben kann? Da viele Minderjährige unter den  Geflüchteten waren, fasste ich den Entschluss, mich um eine Vormundschaft für solch einen jungen Menschen zu bewerben und stieß auf Akinda.

Aber so schnell, wie ich gehofft hatte, ging das alles nicht – und das war auch gut so, denn das ganze Ausmaß der Verantwortung war mir noch nicht klar. Es gab viele vorbereitende Treffen und Weiterbildungen bei Akinda zu Themen wie Asylrecht, Kinder-und Jugendhilfe, Pflichten und Aufgaben eines Vormundes zu absolvieren, bevor wir – nach drei Monaten – Kontakt zu den infrage kommenden Jugendlichen aufnehmen durften!

Das erste Treffen mit Amir

Mein erstes Treffen mit Amir fand vor etwa einem Jahr in einem zur Sammelunterkunft für Geflüchtete umfunktionierten Hostel statt. Amir hat sich sofort dafür bedankt, dass ich sein Vormund werden wollte. Ab September 2016 haben wir uns dann jede Woche einmal getroffen. Zuerst bin ich mit ihm in Cafés in der Nähe des Hostels gegangen. Wir haben uns ein bisschen unterhalten, um Bekanntschaft zu schließen und gegenseitig Vertrauen aufzubauen. Dann habe ich versucht, ihm ungewöhnliche Orte zu zeigen, die etwas mit unserer Kultur zu tun haben und mir auch selbst gut gefallen. Diesen Tipp hat mir ein anderer Vormund beim Akinda-Stammtisch gegeben. Wir waren zum Beispiel in der Markthalle am Marheinecke Platz, wo wir die Bezeichnungen für Lebensmittel, Obst und Gemüse geübt haben. Einmal sind wir auch shoppen gegangen, weil ich fand, dass Amir eine warme Jacke brauchte.

Später habe ich Amir gefragt, ob er mutig sei. „Natürlich“, war die Antwort, “ ich bin doch ein Mann!“ Und da habe ich ihn dann zum Sushi-Essen eingeladen, was er sehr lustig fand – eine andere Art von Mutprobe, als er zunächst erwartet hatte. Sein Humor, seine höfliche respektvolle Art, sein unermüdlicher Fleiß, seine Feinfühligkeit – all das hat mich eine freundschaftliche Bindung zu ihm entwickeln lassen. Amir ist eine große Bereicherung für mein Leben.

Aber es gab auch echte Herausforderungen zu bewältigen für mich als Neuling in den Aufgaben der Vormundschaft.
Plötzlich wurde uns – kurz vor Weihnachten 2016 – mitgeteilt, dass die Unterkunft, in der Amir wohnte, vom Senat geschlossen wird. Amir war ziemlich verzweifelt, denn er landete in einer Sammelunterkunft in einem kleinen Zimmer, in dem die Heizung nicht funktionierte und das er mit fünf anderen Jungen teilen musste, die gern auch nachts laut Musik hörten. Schwierig, unter solchen Bedingungen, weiter fleißig Deutsch zu lernen und regelmäßig in die Schule zu gehen. Zum Glück hat Amir trotz seiner Verzweiflung nicht aufgegeben.
Ich versuchte, ihn ,auf den Rat von Akinda hin, in einer betreuten Wohngemeinschaft im Rahmen der Jugendhilfe unterzubringen – nahezu aussichtslos, da so viele Jugendliche danach suchten. Glücklicherweise bekamen wir über Bekannte einen Tipp, dass ein Platz in einer Jugendhilfeeinrichtung im betreuten Einzelwohnen frei sei. Wir haben uns sofort dort beworben. Eine Woche später konnte Amir in seine kleine Wohnung einziehen und ein Stein fiel uns vom Herzen.

Doch es sollte noch schlimmer kommen: Ohne jede Vorwarnung, ohne ein Gespräch mit mir als Vormundin, wurde Amir Ende Januar 2017 eine abschließende Beurteilung seiner Willkommensklasse ausgehändigt, in dem viel Positives über sein Sozialverhalten und seine wachsenden Deutschkenntnisse stand. Jetzt könne er aber nicht mehr weiter „beschult“ werden und müsse sich an einem Oberstufenzentrum anmelden, um einen Schulabschluss zu machen. Die Anmeldetermine wären erst für das kommende Schuljahr gewesen, das hätte Leerlauf von mehreren Monaten bedeutet und Amir wäre aus dem bisschen Normalität, das er sich aufgebaut hatte, wieder herausgerissen worden! Dazu noch die Unsicherheit seines Aufenthaltstitels!

Jetzt ging es von Beratungsstelle zu Beratungsstelle – an diese hatte Akinda mich vermittelt. Wie sollte Amirs Ausbildung weitergehen? Ohne Schulabschluss? Da ich selbst Lehrerin bin, habe ich alles versucht, um ihn an einer ganz normalen Oberschule unterzubringen. Mit viel Hartnäckigkeit ist es mir schließlich gelungen, ihn kurz vor den Osterferien 2017 endlich in der 9. Klasse einer Oberschule in der Nähe seiner Wohnung anzumelden. Er hat sich gut dort eingelebt, wird respektiert und geschätzt von Lehrern und Mitschülern, schreibt gute Arbeiten und wird versuchen, in diesem Schuljahr den MSA (mittleren Schulabschluss) abzulegen.

Kann Amir in Deutschland bleiben?

Unsere aufregendste Aktion war jedoch das Vorbereiten der Anhörung im Rahmen seines Asylgesuchs und die Anhörung selbst, zu der ich ihn als Vormundin selbstverständlich begleitet habe. Ohne einen Vormund hätte Amir erst mit Erreichen der Volljährigkeit diesen Antrag stellen dürfen. Ich denke, die Vorbereitung durch mich war sicherlich besonders individuell und intensiv. Einen Bescheid haben wir leider bis heute nicht erhalten.
Die Unsicherheit schwebt also die ganze Zeit über diesem, mir sehr ans Herz gewachsenen Jugendlichen, der nun seinen achtzehnten Geburtstag in wenigen Tagen feiern wird. Meine Aufgabe als Vormundin ist damit beendet, als befreundeter Mensch bleibe ich ihm selbstverständlich weiter verbunden!

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